Innere Anteile-Arbeit

Innere Anteile können als Bausteine unserer Persönlichkeit verstanden werden, die sich im Laufe unseres Lebens gebildet und entwickelt haben. Wir können sie als Repräsentanten unserer vielschichtigen Natur betrachten, die gewisse Eigenschaften haben und mit denen in Therapie und Coaching gearbeitet werden kann. Sie können - je nach Ansatz, Modell und Arbeitsweise in Therapie und Coaching – unterschiedlich benannt werden, wie zum Beispiel:

 

Ego-States

Ich- oder Persönlichkeits-Anteile

innere Repräsentanten

Archetypen

u.a.

Traumasensible Arbeit mit inneren Anteilen ist ein therapeutischer Ansatz, der sich mit der inneren Welt von Menschen befasst, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Diese Arbeit basiert auf der Vorstellung, dass traumatische Erlebnisse dazu führen können, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen in unterschiedliche innere Anteile oder Teilaspekte aufspaltet, um den Schmerz und die Überwältigung des Traumas zu bewältigen. Jeder dieser Anteile kann unterschiedliche Erinnerungen, Gefühle, Überzeugungen und Verhaltensweisen verkörpern, die oft miteinander in Konflikt stehen oder sich widersprechen.

Grundlegende Konzepte:

  1. Innere Anteile: Menschen können in sich verschiedene Persönlichkeitsanteile oder "innere Stimmen" tragen, die in bestimmten Situationen aktiviert werden. Ein Teil könnte beispielsweise ein verletztes Kind sein, das durch das Trauma entstanden ist, ein anderer könnte ein schützender, wachsamer Teil sein, der versucht, zukünftigen Schmerz zu verhindern. Diese Anteile haben oft spezifische Aufgaben, wie Schutz oder Kontrolle, und können stark auf Traumata reagieren.
  2. Traumasensible Herangehensweise: Die traumasensible Arbeit erfordert besondere Vorsicht, da die inneren Anteile oft eine tiefe Verwundung oder Angst in sich tragen. Ziel ist es, diese Anteile nicht zu überwältigen oder zu konfrontieren, sondern sie zu verstehen und ihre schützenden Funktionen anzuerkennen. Der Therapeut oder die Therapeutin sorgt dafür, dass der oder die Betroffene sich sicher fühlt und die Kontrolle über den Prozess behält.
  3. Vermeidung von Retraumatisierung: Bei der traumasensiblen Arbeit geht es darum, schrittweise vorzugehen und dafür zu sorgen, dass die betroffene Person nicht durch den Kontakt mit traumatischen Erinnerungen erneut überfordert wird. Es ist wichtig, die Reaktionen der verschiedenen Anteile zu achten, um zu verhindern, dass der Prozess zu schmerzhaft oder destabilisierend wird.
  4. Integration der Anteile: Ziel ist es, die inneren Anteile zu integrieren und zu harmonisieren, sodass sie wieder als Teil eines größeren Selbst gesehen werden können, statt in ständiger Opposition oder Fragmentierung zu existieren. Dies bedeutet nicht, dass die Anteile "verschwinden", sondern dass sie zusammenarbeiten und ein Gefühl der Ganzheit und des Selbstvertrauens entsteht.
  5. Methoden: Häufig verwendete therapeutische Ansätze zur Arbeit mit inneren Anteilen sind z.B. die Ego-State-Therapie oder das Internal Family Systems (IFS)-Modell. Diese Ansätze bieten Werkzeuge, um in Dialog mit den verschiedenen Anteilen zu treten, Verständnis für ihre Funktionen zu entwickeln und einen Heilungsprozess zu ermöglichen.

Warum traumasensibel?

Traumatische Erlebnisse sind oft mit Gefühlen von Machtlosigkeit, Scham, Angst oder Überwältigung verbunden. Die traumasensible Arbeit stellt sicher, dass das Tempo und die Tiefe der Therapie an die Bedürfnisse und Grenzen des betroffenen Menschen angepasst werden, um eine erneute Traumatisierung zu vermeiden. Durch eine behutsame und respektvolle Annäherung können innere Anteile die Möglichkeit bekommen, ihre schmerzhaften Erfahrungen in einem sicheren Raum zu äußern und zu verarbeiten.

 

 

Entstehung innerer Anteile

Innere Anteile sind neuronale Netzwerke und damit lebendige und dynamische Aspekte unserer (Neuro-)Physiologie (Verena König). Ein Teil unserer inneren Anteile beginnen sich bereits früh - in unserer Kindheit – durch wiederholte Erfahrungen zu entwickeln. Sie bilden sich durch die individuelle Sozialisation, wie zum Beispiel durch Bindungspersonen, Familie, Verwandte, Lehrer, Ausbilder, Bekannte, aber auch durch öffentliche Personen, wie Schauspieler, Politiker etc.

     Auch wenn sich manche Anteile bereits früh gebildet haben, können sie sich im weiteren Lebensverlauf weiterentwickeln. Im Laufe des Lebens kommen auch neue Anteile hinzu. Für alle Anteile gilt das gleiche wie für die Gesamtpersönlichkeit: Sie haben, wie die Person selbst, das Potenzial, zu lernen, sich zu entwickeln und zu reifen. Und vor allem: Es ist grundlegend völlig "normal", innere Anteile zu haben.

Welche innere Anteile gibt es und wie machen sie sich bemerkbar?

Grundsätzlich unterscheidet man 1. ressourcenreiche, 2. verletzte und 3. verletzende/destruktiv wirkende Anteile.

 

1.  Ressourcenreiche Anteile sind durch wiederholt gute Erfahrungen entstanden. Sie verkörpern die zur Verfügung stehenden Potenzialen. Sie wirken auf die Person:  ermutigend, stärkend, heilsam und allgemein unterstützend.

 

2.  Verletzte Anteile sind durch wiederholt negative Erfahrungen entstanden. Sie tragen Symptome oder Muster in sich, die ihren Erfahrungen entsprechen. Sie stehen für körperliche oder seelische Verletzung/en, die in der Vergangenheit entstanden sind und können sich ängstlich, unsicher, depressiv bis emotional abhängig und abgestumpft zeigen.

 

3.  Verletzende oder destruktiv wirkende Anteile sind durch wiederholt negative Erfahrungen entstanden, die zu intensiv emotional-energetischen Zuständen führen können, die an Empfindungen von Schmerz und Leid gekoppelt sind.

 

Für alle Arten von Anteilen gilt: Als Teil unserer Gesamtpersönlichkeit können sie unseren mentalen-, emotionalen, körperlichen und energetischen Seins-Zustand auf die ein- oder andere Weise beeinflussen:

 

Ressourcenreiche Anteile können wir zur Stabilisierung unseres Seins-Zustandes nutzbar machen.

 

Jenen Anteilen, die durch wiederholt negative Erfahrungen entstanden sind, können wir durch achtsamen Umgang bei der Entwicklung und Entfaltung ihres bislang verdeckten Potenzials helfen, damit auch sie - Schritt für Schritt - in das Gesamtsystem integriert werden können.

Die Anteile-Arbeit dient der Stabilisierung der Gesamtpersönlichkeit, dem Erkennen und Ausbauen von Ressourcen, der Stärkung des beobachtenden Gewahrseins. Sie kann das  Selbstverständnis erhöhen, die Selbstregulationsmöglichkeiten verbessern und die Selbstwirksamkeit erhöhen.